Empowerment!?

Bei der Planung eines Workshops zu eben diesem Thema Empowerment im DaZ (Deutsch als Zweitsprache), habe ich einmal mehr realisiert, wie anspruchsvoll es ist, mit dem Paradox einer Sprachförderung umzugehen, die in weiten Teilen jene Gruppe der »unwillkommenen« Migrantinnen und Migranten betrifft, die aktuell wieder für so heiße Köpfe sorgen. (Dass die Arbeitsbedingungen und die Entlöhnung für diese anspruchsvolle Aufgabe in der Regel nicht nur nicht angemessen, sondern beschämend schlecht sind, ist ein anderes Thema.)

Worin das Paradox besteht? 

Erstens darin, dass Förderung immer ein Defizit voraussetzt, und vor allem, dass es seitens jener, die fördern, naheliegend und in gewisser Weise unabdingbar ist, dieses Defizit zu definieren, um es zu »überwinden«, während gleichzeitig der Anspruch an Förderung - nicht nur im DaZ - unter anderem lautet, Ressourcenorientierung zu praktizieren.

Zweitens ist Selbstverantwortung mittlerweile ein Credo fast jedes lerntheoretischen Ansatzes. Selbstverantwortung geht aber notwendigerweise mit einem Kontrollverlust seitens derer, die lehren, fördern oder unterrichten, einher. Und wenn man die Selbstverantwortung - oder eben das Empowerment - ernst nimmt, dann ist dieser Kontrollverlust sehr grundsätzlich. Gleichzeitig bleibt innerhalb eines institutionellen oder gesellschaftlichen Rahmens die Verantwortung für die »Qualität« des Outcomes von Förderung seitens der Anbietenden bestehen.

Das Paradox lässt sich nicht einfach auflösen - sonst wäre es kein Paradox. Und das macht die Debatte nicht nur im DaZ-Kontext, sondern vor allem angesichts der weitreichenden Frage nach Integration, nach der Bewältigbarkeit von Migration, der Kompatibilität des Fremden und des Eigenen so schwierig und oft so unproduktiv und aggressiv.

Eine Schwierigkeit, die womöglich gar nicht primär das Thema Migration betrifft, sondern an diesem Thema ein Ventil findet, das eine handhabbare Distanz zu ihr erlaubt, liegt darin, dass die Aufgabe eines klaren Rahmens, innerhalb dessen man die Ziele von Förderung bestimmen kann, bedeutet, die Nicht-Bestimmbarkeit zuzulassen. Den andern nicht zu bestimmen fällt uns - einen Atemzug nach der eiligen Zustimmung - aber deshalb so schwer, weil es konsequenterweise dazu führt, dass wir uns selbst nicht eindeutig bestimmen können. Ein wesentlicher Anteil unseres Selbstverständnis ergibt sich ja aus der Abgrenzung vom Anderen - das ist nichts Neues.

Der Debatte, ob die Migrant*innengruppe xy kompatibel mit unseren gesellschaftlichen Werten ist, liegt also oft die Uneindeutigkeit ebendieser gesellschaftlichen Werte zugrunde. Die Gräben, die sich grade auftun, sind bei weitem nicht einfach jene zwischen Islam und Christentum. 

Die Förderung von Empowerment und Selbstverantwortung zwingt uns daher nicht zuletzt, mit der Nichtzuordenbarkeit von Phänomenen, Ressourcen, Ansprüchen, Wertvorstellungen, Wahrnehmungen und Handlungsweisen umzugehen. Es geht - allen gesellschaftlichen Visionen und der Logik von Lehrplänen vorgelagert - vielleicht zunächst darum, sich auf dieses grundlegende Nicht-Wissen und Nicht-Verstehen einzulassen. Das ist - wenig erstaunlich - auch in der Beratung ein »Geist«, der immer wieder am Horizont auftaucht (»Humble Coaching« ist ein aktuelles Label dafür).

Empowerment im DaZ beginnt daher vielleicht dort, wo für mich als Kursleitende*r das Lernen von meinen Teilnehmenden weder lediglich ein wohlmeinendes Lippenbekenntnis, noch ein gezielt eingesetztes - und dadurch kontrollierbares - didaktisch-methodisches Spezialsetting, sondern Alltagspraxis wird.

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