https://www.nytimes.com/2017/08/26/opinion/sunday/good-robot-teacher-secrets.html
Aus aktuellem Anlass habe ich diesen Artikel nochmals gelesen. Da steht, digitale Lernmedien führten vor allem deshalb so oft nicht zum erwarteten Lernerfolg, weil sie einen grundlegenden Faktor gelingender Lernprozesse außer Acht lassen, die soziale Interaktion. Darunter fällt – so die Autor*innen – nicht nur Interaktion im engeren Sinn, sondern bereits die schiere Präsenz von anderen: das (lernende) Hirn ist auf’s Soziale »getuned« und Lernprozesse in einem nicht-sozialen Setting haben schon deshalb schlechtere Erfolgsaussichten.
Was folgt daraus für die Digitalisierung von Lernen? Der Artikel verweist auf eine Studie, in der Kinder von einem Roboter lernen sollten: In der Versuchsgruppe begleitete dieser die vermittelten Inhalte mit passender Mimik, in der Kontrollgruppe tat er das nicht. Der Lernerfolg wurde an der Gedächtnisleistung gemessen, die Versuchsgruppe schnitt wie erwartet besser ab.
Das Problem – auf das die Autor*innen selbst hinweisen – besteht dabei aber unter anderem darin, dass Lernen sich nicht im Memorieren von Inhalten erschöpft und das Ergebnis im Hinblick auf einen weiter gefassten Lernbegriff so noch nicht besonders aussagekräftig ist.
Im Artikel geht es aber nicht um ein breiteres Spektrum an Lerntheorien, sondern darum, dass soziales Lernen etwas mit Autorität zu tun hat. Denn die Lernmotivation hängt davon ab, für wie glaubwürdig ich die Quelle des Wissens halte und damit auch vom Interesse und der Aufmerksamkeit, die ich dieser Quelle entgegenbringe. Aus mangelnder Glaubwürdigkeit folgt nicht nur die geringere Behaltensleistung, sondern – so wird argumentiert – auch die geringere Bereitschaft, Gelerntes beim Entscheiden und Handeln in Betracht zu ziehen.
Damit wird der Horizont von Lernerfolg = Gedächtnisleistung zweifellos um einen relevanten Aspekt erweitert, aber mir scheint, dass gleichzeitig etwas Zentrales in der vorgeschlagenen Erweiterung nicht zum Tragen kommt.
Lernerfolg hängt wesentlich mit der Fähigkeit zur Reflexion zusammen, also mit der Fähigkeit, über sein eigenes Lernen nachzudenken. Deshalb hat soziale Interaktion in Lernprozessen nicht nur die Funktion, die Expertise oder die Glaubwürdigkeit von Lehrenden, Modellen oder Wissensquellen im Allgemeinen in Erscheinung treten zu lassen. Sie soll Lernende in ihrer Autonomie unterstützen und fördern. Das gelingt zwar in der Regel auf der Basis von Glaubwürdigkeit besser. Dennoch sollte die Glaubwürdigkeit nicht in unkontrollierter Weise den Anspruch auf Autorität erheben. Vielmehr liegt die Glaubwürdigkeit bei der Begleitung von Lernprozessen manchmal gerade in der Fähigkeit und Bereitschaft, die eigene Autorität zugunsten der Selbstverantwortung von Lernenden einzuschränken oder zumindest zur Diskussion zu stellen.
Was also müssen gute Roboter-Lehrende können? Sie müssen natürlich – wie das aus dem Artikel hervorgeht – die Lerninhalte durch Stimmung und Wertung greifbarer und attraktiver machen bzw. den Zugriff der Lernenden auf die Lerninhalte kommentieren, aber erstens muss die emotionale oder »persönliche« Einfärbung als solche gekennzeichnet sein und zur Debatte stehen können und zweitens sollten Kommentare nicht nur die Form von Bestätigungen haben. (Ein entscheidendes Ergebnis der dargestellten Studie ist denn sinnigerweise, dass die Kinder auch den sozial interaktiven Roboter nicht mochten. Genau so wenig ist es zwingend nötig, dass Lernende lebendige Lehrende mögen, um erfolgreich zu lernen.) Die Maschine muss also mehr können als den Daumen rauf oder runter halten: Sie muss den Ball an die Lernenden zurückspielen können, sie herausfordern, sie durch Feedback auf sich selbst zurückverweisen.
Kommentar schreiben